Die Regenspiele von Kirchdorf: F5D Saisonabschluss 2003

Sonntag Morgen

Wie zu erwarten war, sorgte der Regen für einen leicht verspäteten Beginn am Sonntagmorgen. Zum Frühstück kam ich trotzdem zu spät. Vom Frühstück blieben daher nur einige Becher heißer Kaffee übrig, aber immerhin. Irgendwie muss ja die verdammte Feuchtigkeit und Kälte aus dem Körper herauskommen. Wenigstens war ich danach einigermaßen wach. Sandra und Patricia waren bei meinem Anblick zwar anderer Meinung, aber Frauen sind grundsätzlich anderer Meinung. Der Regen blieb fürs erste und daher war wieder Warten angesagt, aber inzwischen hatte man sich daran gewöhnt und niemand wurde deswegen unruhig oder gar nervös. Dadurch blieb uns aber Zeit für das eine oder andere sinnentleerte Gedankenspiel, wer wann unter welchen Bedingungen nicht gewinnen würde.

Zahlenspiele

Reden wir über Platz 3 in der Deutschen Meisterschaft: Wenn am Sonntag nicht mehr geflogen werden könnte, würde der Kirchdorfer Wettbewerb das Streichresultat für Markus Wanner werden. Aber auch wenn der Wettbewerb mit 9 Läufen beendet werden könnte, müsste Markus ein Taschenatomkraftwerk als Akku verwenden, um in Kirchdorf noch in letzter Sekunde die 99,20% aus Freckenhorst toppen zu können. Leider würde er dann disqualifiziert werden, denn das FAI F5D Reglement sagt: nur NiCd und NiMH Akkus sind zulässig. Schade! Damit war Markus Wanner bei den Zahlenspielen außen vor, es ging nur noch um das Ergebnis von David Dzida, das 99,60% übertreffen müsste, um Platz 3 zu belegen.

Nun stellte sich also die Frage, wie hoch Jens Bartels oder Christian Rößler die 100% in Kirchdorf hängen würden und wieviel David Dzida davon erreichen kann. Wenn man bei Jens Bartels einen 70,00er Schnitt für die letzten 3 Läufe annimmt, müsste David mit 70,50s im Durchschnitt dagegen halten, um Markus von Platz 3 zu verdrängen. Keineswegs eine unlösbare Aufgabe, wenn man seine beiden 69er Zeiten vom Vortag berücksichtigt! Das verspricht ein äußerst spannender Sonntag zu werden - ein Herzschlagfinale nach Maß um Platz 3 in der Deutschen Meisterschaft!

7. Lauf, Start Gruppe 2

Die Aufgabe war klar: David durfte sich keinen Streicher mehr erlauben, sonst würden die Zahlenspiele Makulatur werden. Zugleich musste auch Jens erst einmal seinen 70er Schnitt fliegen, was aber angesichts der Konstanz des Vortags (drei Mal 70,00s!) absolut realistisch war, weil er noch keinen Streicher auf seinem Konto hatte. Selbst bei zwei Streichern von Jens müßte David 70,5s im Durchschnitt fliegen, weil Christian Rößler ganz knapp hinter Jens lag. Es war ausgesprochen unwahrscheinlich, dass beide patzen würden und so war der Ausgang um den 3. Platz in der Deutschen Meisterschaft eine ganz enge Sache.

Der Wind hatte sich über Nacht etwas gelegt, aber vor allem hatte er seine Richtung geändert. Endlich musste nicht mehr in den gefürchteten Leewirbeln des kleinen Wäldchens gestartet werden, sondern rechts vom Platz über den asphaltierten Feldweg hinweg. Als erstes Modell hing Dirk Beltings "Avionic D" in der Luft und bohrte sich in den morgendlichen Himmel, dann folgte Willi Wälti und zuletzt David Dzida. Das Modell machte nach dem etwas verrissenen Abwurf eine Rollbewegung, die anderthalb Rollen später zum Aufschlag führt. Der Avionic D schlug hart auf dem Feldweg auf und die Trümmer flogen umher. Das war es! Der 7. Lauf/Gruppe 2 wurde regulär zuende geflogen, wobei Jens mit 71,00 Sekunden das rechnerische Plansoll der Zahlenspielerei weitestgehend erfüllte. Nach der Landung der Gruppe 2 machte sich David an die traurige Aufgabe und sammelte die Trümmer seines Modells ein.

Nach diesem Absturz war das Rennen um Platz 3 in der Deutschen Meisterschaft beendet, die verbliebene winzig kleine theoretische Chance machte Jens Bartels im 8. Lauf mit einer 68,00s zunichte. Damit war die Deutsche Meisterschaft auf Platz 1-3 entschieden, wenn auch ganz knapp. Das Tagesklassement in Kirchdorf war dagegen alles andere als entschieden, es war noch völlig offen! Christian Rößler konnte und wollte hier noch ein Wörtchen um den Tagessieg mitreden, es kam ganz auf den 9. und letzten Lauf an.

Bei der ganzen Dramatik um den 3. Platz im WM-Team vergisst man leicht, dass David in der Tageswertung zu diesem Zeitpunkt auf dem 3. Platz lag und den wollte er natürlich gegen Dirk Belting verteidigen. David hatte mit Runde 5 und dem Absturz in Runde 7 bereits zwei Streicher mit 300 Punkten, er durfte sich jetzt keinen Fehler mehr erlauben, sonst würde er im Klassement beliebig weit nach hinten durchgereicht werden. Es waren gute Nerven gefordert, als der 9. Lauf begann!

Der 9. und letzte Lauf

Es war wieder die Gruppe 2, die die Meßlatte für die nachfolgenden Gruppen festlegte. Der nächste Flug von David durfte alles mögliche werden, nur kein weiterer Streicher. Die Anspannung war deutlich spürbar, als die Gruppe wieder an den Start ging. Nun waren Nerven gefragt, mindestens die vielzitierten Stahlseile, besser noch Kruppstahl. Allen Unkenrufen zum Trotz flog David eine sichere 74,0s ohne Cut, was mit zwei 300ern im Gepäck vor heimischer Kulisse eine großartige Leistung ist! Die Anspannung löste sich, da kam jemand mit dem bekannten breiten Grinsen im Gesicht vom Flug zurück. Warum? Eine kleine Zahlenspielerei verdeutlicht das: Dirk Belting muss nun mindestens 65,0s fliegen, der Rundenrekord liegt bei 65,3s - mit 10xFAUP in ruhiger Luft. Die Luft in Kirchdorf war alles andere als ruhig, es hatte sich wieder der bekannte böige Wind eingestellt. Mit 9xRC-4/5SC Akku 65,0s in dieser Luft ist ein Ding der Unmöglichkeit, das kann auch ein so herausragender Pilot wie Dirk Belting nicht mehr reißen. Der an diesem Wochenende doch etwas vom Pech verfolgte David Dzida hatte durch pures Können und Nervenstärke tatsächlich Platz 3 in der Tageswertung verteidigt! Es gibt doch noch Gerechtigkeit auf dieser Welt.

Nun lag es an Jens Bartels, sich den Tagessieg zu holen. Was kaum auffiel: Christian Rößler wäre ohne den 10%-Cut im 1. Lauf zeitgleich mit Jens gewesen, aber "hätte-wäre-wenn" zählt auf Wettbewerben nicht. Jens konnte sich trotz dieses Vorsprungs keinen Streicher leisten, denn Christian hatte im 8. Lauf eine 69,0s geflogen. Eben diese 69,0s würden im 9. Lauf für den Tagessieg reichen, wenn Jens über 74,0s fliegt! Der 9. Lauf war von der Spannung her kaum zu überbieten! Es ging um Sekundenbruchteile, die über den Tagessieg entscheiden würden. Die Modelle schwebten zur Landung herein und einige Momente später fragte Walter Hildel die Cuts bei den Wendemarken ab. Das Schneiden eines Pylons mit der Folge einer 10% Zeitstrafe passiert verflucht schnell und schon könnte der Weg für Christian Rößler in Gruppe 5 frei sein, sich erneut an einer 69,0 zu versuchen. Daher war das nun folgende Frage und Antwortspiel von großer Bedeutung:

Nachfrage bei den Winktieren, ob Cuts zu vermelden sind. Hier war nichts zu vermelden und das war gleichbedeutend mit dem Sieg für Jens Bartels in Kirchdorf!

Walter Hildel: "Breitpylon 1?"
Antwort: "Alle sauber, kein Cut!"

Walter Hildel: "Breit2?"
Antwort: "Nichts!"

Walter Hildel: "Spitzpylon?"
Antwort der Winktiere: "Ein Bier wäre jetzt gut."
Walter Hildel: "Was?"
Antwort: "Kein Cut."

Der Satz mit dem Bier ging im Rauschen der Funkgeräte unter, wurde aber für die wahrscheinlichste Antwort gehalten. Beim Spitzpylon winken die Winktiere sofort ab, wenn ein Cut passiert. Diese Nachfrage ist formaler Natur und das Ergebnis ist dem Piloten schon vor der Landung bekannt. Damit war die Sache entschieden, die 68,00s waren gleichbedeutend mit dem Sieg für Jens Bartels! Christian Rößler hätte nun einen überirdischen Akku gebraucht, der aber leider nicht in seiner Kiste zu finden war. So musste ein irdischer Akku für eine 70,00s herhalten. Diese Zeit spielte keine Rolle mehr, der Tagessieg gehörte Jens Bartels!

Siegerehrungen

Was halten wir fest für nächstes Jahr?

1. Wir stellen uns nie wieder für das Siegerfoto vor einen Maschendrahtzaun, sei er noch so schön!
2. Der Zweitplatzierte stellt sich auf den Platz des Drittplatzierten oder umgekehrt!
3. Liebe Modellfluggruppe SV-Kirchdorf/Iller - wir würden gerne auch im nächsten Jahr wiederkommen!!!

Es war ein ganz toller und großartig organisierter Wettbewerb, der trotz der Wetterkapriolen allen Beteiligten viel Freude gemacht hat! Und ich hoffe, dass der etwas verspätete Bericht die Freude nicht übermäßig trübt, denn der Besuch in Kirchdorf hat mir und allen anderen sehr viel Spaß gemacht!

Zum Abschluss sei mir noch ein Hinweis in Sachen F5D gestattet: in der 1/2004 erscheint der F5D Saisonbericht 2003 mit einer Zusammenfassung aller drei Teilwettbewerbe. Dort könnt ihr noch einmal die Saison Revue passieren lassen. Aufgrund vollkommen unverständlicher Seitenbeschränkungen - was gibt es wichtigeres als F5D?! - kann der Saisonbericht natürlich nicht so ausführlich sein, wie jeder Einzelbericht eines Teilwettbewerbs. Deswegen genießt die nächsten Seiten umso mehr, es sind die Impressionen aus Kirchdorf in ungekürzter Form. Viel Spaß beim Schmökern!

Ergebnislisten Kirchdorf/Saison 2003

Die kompletten Ergebnisse von Kirchdorf und der Gesamtsaison befinden sich auf Seite 7 dieses Berichts. Ergebnislisten F5D Kirchdorf / Deutsche Meisterschaft F5D 2003